Zwischen Hörsaal und Viereck

28.12.2025 - Dezember. Die Turnierplätze sind leerer geworden, die Saison 2025 klingt aus. Für Corinna Gebhard ist es jener Moment im Jahr, in dem man innehält, zurückblickt – und gleichzeitig schon wieder nach vorne denkt. Die Dressurreiterin aus der Steiermark hatte ein Jahr, das weniger von großen Schlagzeilen, dafür umso mehr von innerem Wachstum geprägt war. „Es war ein ziemlicher Spagat zwischen Uni und Reiten“, sagt sie offen. Medizinstudium im dritten Jahr in Graz auf der einen Seite, internationale Turniere und tägliche Arbeit mit den Pferden auf der anderen. „Heftiger als in den Jahren davor.“ Und doch überwiegt bei ihr eines ganz klar: Zufriedenheit.


Mentale Stärke statt schneller Punkte

Im Mittelpunkt dieser Saison stand Bellagio 16 – und mit ihm ein Thema, das man nicht in Prozentzahlen messen kann. „Er hat mental immer viel Unterstützung gebraucht“, erzählt Gebhard. Unsicher, schnell abgelenkt, in der Prüfung manchmal mehr bei der Umwelt als bei seiner Reiterin. Genau dort setzte die Arbeit der letzten Monate an. Viel Feinarbeit im täglichen Umgang mit den Pferden – und vor allem Geduld.

„Auch wenn die Punkte heuer nicht unglaublich waren: Für mich war es ein riesiger Schritt“, sagt sie. Keine kompletten Aussetzer mehr im Viereck, kein „Daumen-Moment“, wie sie es nennt. Bellagio blieb bei ihr, hörte zu, ließ sich führen. „Diese mentale Entwicklung sieht man nicht immer am Ergebnis, aber man fühlt sie. Das macht mich für das neue Jahr richtig optimistisch.“

Zum Saisonende hin kam dann der nächste Meilenstein: erste Lektionen der schweren Klasse im Training. Piaffe, Passage – noch ohne Turnierdruck, dafür mit viel Freude. „Er macht das unglaublich motiviert. Jetzt geht es darum, Kraft, Verständnis und Mechanik über den Winter mitzunehmen.“ Große Tour? Ein Traum, ja. Aber einer ohne Deadline.

Aufgewachsen im Stall – gereift im Kopf

Dass Corinna Gebhard Pferde nicht nur reitet, sondern versteht, kommt nicht von ungefähr. Aufgewachsen am eigenen Hof, das Kinderzimmerfenster mit Blick auf den Stall, die Mutter selbst internationale Championatsreiterin. „Mir wurde das alles sehr in die Wiege gelegt.“
Und doch war der Weg nicht immer geradlinig. Der Abschied aus der Ponyzeit, der Wechsel aufs Großpferd – ein Einschnitt. „Da habe ich angefangen, viel mehr nachzudenken.“ Über Training, über Gesundheit, über das große Ganze. Heute spricht sie selbstverständlich über Boxennachbarn, Wohlbefinden, mentale Zufriedenheit. „Je besser es dem Pferd geht, desto leichter wird die Arbeit mit ihnen.“

Diese Haltung prägt auch ihre Leidenschaft für junge Pferde. Keines ihrer Erfolgspferde kam fertig ausgebildet. Alles war Entwicklung. „Es ist unglaublich schön zu sehen, wenn etwas, das anfangs fast unmöglich war, irgendwann selbstverständlich wird.“ Kleine Fortschritte zählen für sie heute mehr als schnelle Erfolge – ein Zeichen von Reife, im Sattel wie im Kopf.

Leise Ziele und ein klarer Blick nach vorne

Ein einzelnes Saisonhighlight? Gibt es für Gebhard nicht. „Es war einfach solide.“ Keine extremen Ausschläge nach oben oder unten – und genau das empfindet sie als etwas Positives. Auch ihr Blick auf die österreichische Dressur ist nüchtern und optimistisch zugleich. In ihrer Generation sieht sie viel Qualität, viel Talent, gute Pferde. „Wir sind stark aufgestellt.“

Vorbilder im klassischen Sinn hat sie keine. Ihr Ziel ist kein Name, sondern ein Gefühl: harmonisches, pferdefreundliches Reiten, mit Freude und Reflexion. „Man muss sich immer wieder fragen: Was war vielleicht nicht optimal? Was kann ich beim nächsten Pferd besser machen?“ Ihre größte Stärke, würde man ihre Mutter fragen? „Dass ich mich gut in Pferde hineinfühlen kann“, sagt Gebhard – besonders in schwierige. Ruhe ausstrahlen, unterstützen, wenn es stressig wird. Eine Fähigkeit, die man nicht trainieren kann wie eine Lektion.

Was bleibt nach dieser Saison, zwischen Anatomiebüchern und Dressurviereck? Vor allem eines: Freude. „Die tägliche Arbeit mit den Pferden ist mein Ausgleich zum Studium.“ Es ist genau diese leise Konstanz, die ihren Weg beschreibt. Kein lautes Drängen, keine Hast. Sondern das Vertrauen, dass Entwicklung Zeit braucht – und sich genau deshalb lohnt.

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