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"Für jede Minute mit dem Pferd dankbar"

24.03.2020 -


Julia Sciancalepore ist mir ihrem Pferd Heinrich IV für die Paralympischen Spiele qualifiziert. Die Kärntner Heeressportlerin hat ihr geliebtes Pferd, das sie von Petra Kerschbaum nach den Paralympischen Spielen in Rio 2016 geschenkt bekommen hatte, in Wernberg in der Reitschule Georg und Sara Wahl eingestellt. Zwei Tage lang durfte sie wegen der Coronakrise nicht zu ihrem Pferd, jetzt regelt ein genauer Zeitplan den Stall-Betrieb.

„Ja, das war eine Herumtelefoniererei!“, lacht die stets gut gelaunte 24-jährige Reitsportlerin, die seit ihrer Geburt an Cerebralparese leidet. Am Montag der Vorwoche stand eine Polizeistreife vor dem Stall in Wernberg und wies dort alle Pferde-Besitzer ab. „Sie meinten, wir dürfen nicht zu unseren Pferden. Der Stall sei aufgrund der Coronakrise geschlossen.“
Daraufhin nahm die Heeressportlerin, die bei der Para-EM 2019 im Kür-Finale Rang 7 belegte, Kontakt mit den Kärntner Landesbehörden auf. „Ich habe auch der Landespolizeidirektion geschrieben, die mich weitergeleitet hat. Erst als ich von allen Abteilungen ein Okay hatte, bin ich wieder zum Pferd gegangen.“

Nach Tagen der Unsicherheit kam aufgrund der Intervention eines Experten-Komitees des Österreichischen Pferdesportverbandes im Bundesministerium die bundesweite Weisung, das der Besuch des eigenen Pferdes unter die Deckung der „notwendigen Grundbedürfnisse“ gehört.

Jetzt ist das Stallleben genau geregelt. „Wir haben das Glück, dass unser Stall sehr weitläufig ist. Wir haben eine 40-Meter-Halle und einen 60 Meter großen Außenplatz und trotzdem eher wenige Einsteller. Nun gibt es bei uns einen genauen Zeitplan für Pferdebesitzer, auf der jeder einen eigenen Slot hat, in dem die gesamte Anlage der einen Person zur Verfügung steht. Nicht ganz unbedeutend dürfte auch sein, dass wir keine gemeinsame Sattelkammer haben und die Pferde gefüttert und die Boxen ausgemistet werden, weshalb wir mir fremden Gegenständen gar nicht in Kontakt kommen. Trotzdem ist es wichtig immer Handschuhe anzuhaben und die auch im Privatleben geltenden Maßnahmen zu befolgen.“

Natürlich sei eine Stunde für Pflege und Bewegung „knapp bemessen“, sagt die HAK-Absolventin. „Aber ich denke, jeder ist für jede einzelne Minute dankbar, die man derzeit mit dem Pferd verbringen kann. Ich selbst brauche den Umgang mit dem Pferd als Ausgleich und tägliches Ritual. Aus der Sicht des Spitzensportlers ist es etwas frustrierend, dass Training still zu legen, aber immerhin kann dies schleichend erfolgen und das Pferd wird nicht von einem Tag auf den anderen weggestellt.“

Die Frage ob Reiten oder nicht, beantwortet die Villacherin, die derzeit ihr Studium auf der Klagenfurter Uni in Online-Kursen vorantreibt, so: „Nun ist es auch eine gesellschaftliche Frage, ob man sein Pferd nur am Boden arbeitet oder auch vom Sattel aus. Reiten ist und bleibt eine riskante Sportart – egal wie gut man reiten kann und wie brav das Pferd ist. Ein Sturz mit schweren Folgen kann allzu schnell passieren und einen Krankenhausaufenthalt mit sich bringen. Somit wäre ein Krankenbett belegt, welches ein dem Coronavirus Erkrankter besser gebrauchen könnte. Die Kärntner Krankenhäuser haben zur Vorbereitung bereits aufschiebbare Stände abgebaut, weshalb wir im Stall zwar noch kein Reitverbot haben, aber gebeten wurden, eher vom Boden aus zu arbeiten. Ich selbst habe mich dazu entschlossen, dass ich das berittene Training reduziere und eben auch mehr Freidressur – wenn man es so nennen kann – zu praktizieren. Zwar stehen wir noch am Anfang, aber Heini kommt zu seiner Bewegung, etwas Gymnastizierung und tut auch noch was fürs Hirn.“

Die im Raum stehende Verschiebung der Paralympischen Spiele kommentiert Sciancalepore wie folgt: „Meiner Meinung nach sieht es momentan für Tokio 2020 schlecht aus. In Anbetracht der globalen Situation wäre ein Durchpeitschen die falsche Entscheidung – sowohl gesellschaftlich als auch aus Sportlersicht, denn die Vorbereitungen sind für Athleten suboptimal. Ich persönlich würde eine Verschiebung sehr begrüßen, da die Spiele nichts destotrotz ein Zeichen für Zusammenhalt sind und jeder einzelne Beteiligte bis jetzt sehr viel investiert hat.“