Wenn dieser Tage Reitställe öffnen und das pferdesportliche Training unter Auflagen wieder aufgenommen werden kann, so wird angesichts der Corona-Pandemie auch im Pferdesport die Rückkehr zum „Normalbetrieb“ noch einige Zeit dauern. Daher geben wir ab sofort in unserer neuen multimedialen Serie gemeinsam mit ExpertInnen aus der Welt des Pferdesports regelmäßig praktische Tipps zum Umgang mit der Krise.
„Es tut uns gut, wenn das Wettbewerbs-Motiv in den Hintergrund tritt“
In Teil 1 verrät uns Olympia-Perspektivkaderreiterin, Ausbilderin und Pferde Revue-Kolumnistin Luise Wessely-Trupp, wie sie mit der aktuellen Situation rund um das Coronavirus umgeht. Das Gespräch führte Sportpsychologin Christina Lechner
Wie geht es dir selbst mit der für alle im Pferdesport herausfordernden Situation?
Luise Wessely-Trupp: Zugegeben ist es für mich völlig ungewohnt, nicht jede Woche auf einem Turnier zu sein. Ich nutze die Zeit für die Ausbildung meiner Pferde und vielleicht werde ich mit einigen sogar eine Klasse überspringen können, wenn wirklich bis Herbst keine Turniere stattfinden sollten. Es tut uns gleichermaßen gut, dass wir jetzt ohne Druck und Ablenkung arbeiten. Die Pferde merken dabei genau, dass ich anders bin und nicht Lektionen oder Turniere ganz oben stehen. Stattdessen geht es mehr um Durchlässigkeit oder darum, die Muskulatur zu erhalten. Mit verschiedenen „Spielchen“ setze ich mir immer wieder neue Aufgaben und Ziele, etwa in dem ich die Galoppsprünge auf der langen Seite der Bahn in verschiedenen Tempi zähle. Ein bisschen sportliche Herausforderung gibt´s damit schon!
Wie hat sich das Leben auf Eurer Pferdesportanlage mit den nötigen Sicherheitsmaßnahmen verändert?
Wessely-Trupp: Da einer unserer Mitarbeiter aus Rumänien nicht einreisen kann, miste ich mittlerweile seit sechs Wochen täglich aus! Mein Körper dankt es mir, denn ich war noch nie so fit. Zudem haben wir die Arbeit mit jungen oder verhaltenskreativen Pferden so gestaltet, dass wir möglichst kein Risiko eingehen. Den Kontakt mit Einstellern, die ihre Pferde besuchen kommen, vermeiden wir auch um meine Eltern zu schützen, die ebenfalls hier leben. Das heißt, die Besitzer kommen entweder wenn wir Mittagspause machen oder am späten Nachmittag, wo wir extra ein bisschen früher aufhören, um ihnen genügend Zeit mit ihren Pferden zu ermöglichen.
Du lebst für und vom Pferdesport: was bedeutet die Krise für dich aus wirtschaftlicher Sicht?
Wessely-Trupp: Wir kommen zum Glück durch unseren Einstellbetrieb und die Landwirtschaft derzeit gut durch. Abgesehen davon erspare ich mir im Moment enorm viel durch den Wegfall der Turniere, denn vor allem die internationalen Starts schlagen sich sehr auf mein Budget. Für jene, die als Unterrichtende nur von der Ausbildung leben, ist es aber sicher eine enorme Herausforderung.
Kannst du demnach auch für den Pferdesport insgesamt Vorteile sehen?
Wessely-Trupp: Ich hoffe doch, dass es auch positive Seiten gibt! Ich selbst bin ein fast schon zu positiv denkender Mensch: Ich nehme die Dinge so wie sind und versuche sie auch zu genießen. Die längere Turnierpause wird vielen Pferden sicher guttun, auch wenn der Wiedereinstieg für manche wie z.B. meinen Sparky (Anm.: Sparkling Fizz, Spitzenpferd von Luise Wessely-Trupp mit dem sie bei der ersten Sichtung im Magna Racino Anfang März 2020 den Grand Prix Special gewann) sicher schwieriger wird. Gerade diese ungewohnte Turnierpause betrifft uns aber ALLE gleichermaßen, keiner hat einen Vor- oder Nachteil. Jetzt bleibt uns mehr Zeit, um mit den Pferden andere Dinge zu machen, etwa mehr lockere Bewegung als ernstes Training. Vielleicht wird sich die Zugangsweise zum Pferd bei manchen ein wenig verändern: Es geht schließlich nicht nur darum, Leistung abzurufen, sondern auch darum einfach Spaß mit und am Pferd zu haben – und dafür hatten wir noch nie so viel Zeit wie jetzt!
Danke für das Gespräch!
Zur Person: Luise Wessely-Trupp ist als Dressurreiterin im Olympia-Perspektivkader; Ausbildnerin u.a. in der Instruktorinnenausbildung an der Bundesssportakademie Wien, Richterin und Pferdezüchterin. Bekannt ist sie auch durch ihre Serie „Luises Turnier-Tagebuch“ in der Pferde Revue.
Die Top 3-Strategien gegen die Krise von Luise Wessely-Trupp
- Spielerische Aufgaben entwickeln, die sich als eigene Leistungsziele messbar machen lassen.
- Die Grundmotive des Pferdesports erwecken: Gemeinsam Spaß und Freude haben statt Leistungsdruck!
- Eine positive Einstellung behalten und die Situation so gut es geht nützen.