Ihr beide seid in mehreren Funktionen im Pferdesport aktiv. Wie habt ihr die Corona-bedingten Maßnahmen bisher erlebt?
Anna Kleindienst: Es gibt wirklich keinen Bereich im Pferdesport, in dem Corona keine Auswirkungen hatte: Angefangen von der Zucht – wir durften etwa unsere neugeborenen Fohlen in Deutschland nicht sehen - über den zweiwöchigen Shutdown auch im Einstellbetrieb bis hin zu meinem eigenen Training. Seither trainiere ich allerdings praktisch täglich mit meinem holländischen Trainer über ein innovatives Kamerasystem. Das hat durchaus Vorteile, wenn es auch nicht die persönliche Anwesenheit ersetzt. Obwohl es ein eigenartiges Gefühl war zu trainieren ohne genau zu wissen, wann es wieder mit Turnieren losgeht, war es zugleich schön: So stand wieder die Ausbildung des Pferdes im Fokus und kein kurz- oder mittelfristiges Turnier-Ziel.
Was mich jedoch sehr erschüttert hat, war der mehr als raue Umgangston in der Diskussion in den sozialen Medien. Es kann nicht sein, dass Menschen im Pferdesport dermaßen rüde miteinander umgehen.
Susanna Kleindienst: Die Auswirkungen sind wirklich vielfältig: Für mich persönlich ist es ruhig geworden, weil keine Turniere zur richten oder Prüfungen abzuhalten sind. Sehr betroffen machen mich die wirtschaftlichen Folgen für viele Menschen im Pferdesport. Immerhin mussten Reitbetriebe ohne laufende Einnahmen ihre Pferde weiterversorgen und viele freiberufliche Trainer und Trainerinnen standen plötzlich ohne Einkommen da. Dafür haben wir mittlerweile alle gelernt, die neuen Technologien zu nutzen und können jetzt in Video-Konferenzen Vertreter von Reitschulen aus ganz Österreich zusammenbringen. Ein erstes derartiges Treffen mit mehr als 20 Teilnehmern war sehr konstruktiv und für den nächsten Termin Anfang Juni gibt es sogar noch mehr Anmeldungen – auf diese Weise können wir seitens des Verbandes dem Bedürfnis nach Austausch und gegenseitiger Unterstützung nachkommen.
Wie konkret geht es nun in der Ausbildung weiter?
Susanna Kleindienst: Ein ganz großes Thema ist im Moment der Reitunterricht für Anfänger, aber dafür gibt es schon viele Ideen. Ein konkreter Vorschlag lautet, dass ein kompetenter Reitlehrer das Pferd entsprechend vorbereitet und eventuell ablongiert, sodass die Eltern der Kinder und Jugendlichen nach seiner Anleitung Steigbügel richten und nachgurten können. Damit könnte Anfängerunterricht wieder angeboten werden.
Gute Nachrichten gibt es auch bei der Trainer- und Instruktoren-Ausbildung. Die Kurse der Bundessportakademie (sie unterliegt den gleichen gesetzlichen Regelungen wie auch Schulen, Anm.) können im Sommer wieder aufgenommen werden. Hier haben wir eine gute Kooperation mit dem Team des Gutenhof in Himberg, wo es etwa eine offene Reithalle gibt, in der wir sogar Theorie-Unterricht abhalten könnten. Generell wird versucht, die Ausbildung so weit wie möglich im Freien abzuhalten. Auch Übungsleiterkurse können bereits wieder ausgeschrieben werden. Wir müssen also in allen Bereichen genau hinschauen und gute Lösungen finden, damit keine neuen Infektionen auftreten.
Anna, wie erlebst du aktuell die Situation im Einstell- und Ausbildungsbetrieb?
Anna Kleindienst: In unserem Betrieb ist es so, dass alle Menschen, die hier arbeiten, zugleich hier wohnen. Während der zwei Wochen des kompletten Shutdowns hatten wir ein genaues System, mit dem alle Pferde durch Koppelgang, Beritt, Longieren und mit der Schrittmaschine täglich ausreichend bewegt wurden. Danach hatten wir Zeitslots für die Einsteller eingeführt, die jetzt auf freiwilliger Basis beibehalten werden – einfach weil alle dazu beitragen wollen, das Risiko zu minimieren und die Versorgung der Pferde zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen. Auch wenn wir uns jetzt in Richtung Normalität bewegen, so gibt immer noch viele Unsicherheiten. Es ist aber nur verständlich, dass jeder Betrieb durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen seine eigenen Lösungen finden muss.
Was erwartet ihr euch mit dem Neu-Start in die Turniersaison?
Susanna Kleindienst: Vor allem wünsche ich mir, dass alle Beteiligten wieder mit viel Freude auf Turniere gehen können, zugleich aber verantwortungsvoll miteinander umgehen. In vielen Details wird es noch gute Ideen brauchen, zum Beispiel werden Richterhäuschen mit Plexiglas-Scheiben ausgestattet werden müssen, wenn der nötige Abstand zwischen Richter und Schreiber nicht eingehalten werden kann. Auch in den Stallzelten lassen sich etwa mit Einbahn-Regelungen und kleineren Einheiten für bis zu acht Pferde gut handhabbare Lösungen finden.
Anna Kleindienst: Als Reiterin und als Turnierveranstalterin freue ich mich jedenfalls schon sehr auf die Turniere. Wir wollen hier in Gerasdorf bei Wien Mitte September die Wiener Landesmeisterschaften in der Dressur abhalten und an diesem Termin halten wir aus heutiger Sicht fest. Mit der nötigen Flexibilität und unter dem Motto „Es gibt nichts, das nicht geht“ können wir durchaus optimistisch sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Top 3-Strategien gegen die Krise von Anna und Susanna Kleindienst:
Safety first: Trotz der Vorfreude auf gemeinsame Turniere heißt es weiterhin: Bitte Abstand halten!
Flexible Lösungen finden: Laufend treten neue gesetzliche Verordnungen für Ausbildung, Training und Sportveranstaltungen in Kraft. Für Trainer*innen und Veranstalter*innen heißt es daher kreative und handhabbare Lösungen zu entwickeln.
Gegenseitige Unterstützung: Auch wenn viele die notwendigen Beschränkungen als „Bremse“ empfinden, so sollte die Kommunikation untereinander stets wertschätzend bleiben. Durch gegenseitige Unterstützung ist mehr zu erreichen als mit Unmuts-Äußerungen!
ZUR PERSON:
Anna Kleindienst-Jilly leitet gemeinsam mit ihrem Ehemann Sebastian Jilly das Equestrian Centre Austria, einen Ausbildungs- und Einstellbetrieb für rund 60 Pferde in Gerasdorf (NÖ). In Kooperation mit dem deutschen Partner Jochen Kuenneke gehört zum ECA auch die K&K Sportpferde-Zucht. Anna Kleindienst-Jilly ist zudem selbst Dressurreiterin und Trainerin. Im Hauptberuf leitet die ausgebildete Betriebswirtin einen Gastronomie-Betrieb sowie ein Familienunternehmen.
MMag Dr. Susanna Kleindienst-Passweg ist Juristin und Betriebswirtin sowie Mediatorin. Seit 2016 leitet sie im österreichischen Pferdesportverband das Ausbildungsreferat, zudem ist sie als Dressur-, Spring- und Materialrichterin tätig und auch Partnerin der K&K Sportpferde-Zucht.
Headerbild: (c) Christina Lechner