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Spanische Hofreitschule in Aachen

17.08.2005 - Interview mit Oberbereiter Hans Riegler


Nach mehr als 50 Jahren ist die Spanische Hofreitschule Wien wieder in Aachen zu Gast.

 

Wiener Flair in der Aachener Soers. Die legendäre Spanische Hofreitschule verlegt ihren Reitplatz für zwei Abende ins Deutsche Bank Stadion – dem Weltfest des Pferdesports, CHIO Aachen 2005, sei Dank. Noch gibt es Tickets für die Gala-Vorführungen am Mittwoch, 24. August und Donnerstag, 25. August (Ticket-Hotline: 0241 – 917 – 11 11, online buchen unter www.chioaachen.de).

 

Hans Riegler ist seit 14 Jahren Oberbereiter der berühmten weißen Lipizzaner und freut sich schon auf die Auftritte in der alten Kaiserstadt. 

 

Frage: Die Vorführungen in der Wiener Hofburg sind über Monate ausgebucht, der Aachener CHIO bietet damit eine fast schon einmalige Gelegenheit, die spanische Hofreitschule mal live zu erleben? 

 

Hans Riegler: Einmalig vielleicht nicht, da wir in jedem Jahr drei bis vier Wochen mit unseren Pferden auf Tournee gehen. Aber an Karten zu kommen, ist bei diesen Auftritten schon wesentlich einfacher. In die Hofburg passen ja gerade eintausend Zuschauer, da ist die Atmosphäre in Stadien wie in Aachen schon etwas ganz anderes. Deswegen freuen wir uns auf den CHIO: Die Vorbereitung bleibt für uns aber gleich – egal ob wir vor hundert oder vor tausenden Menschen auftreten. Man möchte sein Pferd ja immer gut reiten.

 

Frage: Was kann das Publikum in Aachen erwarten?

 

Hans Riegler: Die Jahrtausende alte klassische Reitkunst, historische Uniformen und natürlich eine tolle Choreographie. Oft werden wir gefragt, was denn eigentlich der Unterschied der klassischen Reitkunst zum heutigen Turniersport sei. Ehrlich gesagt, kann man den nicht erklären und es sollte eigentlich auch keinen geben. Letztlich bewegt sich der Turniersport alle paar Jahre in eine bestimmte Stilrichtung, um anschließend wieder zum klassischen Reiten zurückzukehren. Am besten, es kommen so viele Menschen wie möglich nach Aachen und schauen sich das Können von Reiter und Pferd einfach an.

 

Frage: Die Vorführungen mit den Lipizzanern sind legendär, wirken leicht und harmonisch. Dahinter steckt aber jahrelange harte Arbeit.

 

Hans Riegler: Genau. Bei den Reitern dauert die Ausbildung meist zwölf Jahre – vom Schüler, auch Eleve genannt, über den Bereiter-Anwärter zum Bereiter. In dieser Zeit bekommen sie ein eigenes Pferd, mit dem sie rund sechs Jahre an der Reife zur Vorführung arbeiten. Am Können des Pferdes zeigt sich dann – quasi als Art Zeugnis –, ob der Reiter selbst qualifiziert ist.

 

Frage: Die Reiter studieren dabei die natürlichen Bewegungen des Lipizzaners: Also ist letztlich das Pferd der Chef auf dem Platz – das Tier lehrt den Reiter?

 

Hans Riegler: In der Ausbildung ist das tatsächlich oft der Fall. Der Reiter muss sich immer wieder fragen: Habe ich mich optimal mit den Talenten des Pferdes beschäftigt, bin ich optimal auf das Tier eingegangen? Schließlich ist es eine lebenslange Beziehung, die gehegt werden muss.

 

Frage: Für viele junge Pferdeliebhaber wäre es ein Traum, für die Spanische Hofreitschule reiten zu dürfen. Das ist aber sicher nicht nur glamourös, schließlich muss auch dort mal der Stall ausgemistet werden.

 

Hans Riegler: Stimmt, die alltäglichen Dingen gehören natürlich dazu. Die Leute denken oft: Toll, die Reiter sehen die ganze Welt, Aachen, London, New York. Ein tolles Leben! Aber tatsächlich pendeln wir nur zwischen dem Hotel, Training und der Vorführung, bis es an den nächsten Ort weitergeht.

 

Frage: Die Spanische Hofreitschule ist bekannt für Übungen und Figuren, die in der herkömmlichen Reiterei gar nicht oder nur selten vorkommen. Also ist es am besten, vorher nicht zu häufig auf einem Pferd gesessen zu haben, wenn man sich bei Ihnen bewirbt?

 

Hans Riegler: Zumindest sollte man um die 15 oder 16 Jahre alt sein, damit der Kopf für viele Techniken noch frei ist. Und in diesem Alter versteht man erst, dass es nicht damit getan ist, aufzusitzen und einfach mal loszureiten. Wichtig ist, das Pferd zu verstehen, mit ihm zu sprechen und seine Bewegungen mit der Hand, dem eigenen Gewicht und den Beinen zu formen.

 

Frage: Mit ihren 430 Jahren hat die Spanische Hofreitschule sogar noch eine längere Tradition als der CHIO in Aachen. Aber dass die Menschen in Aachen die Lipizzaner jetzt hier sehen können – zum dritten Mal nach 1927 und 1953 –, haben sie auch den Amerikanern zu verdanken.

 

Hans Riegler: Ja, als die Russen am Ende des Zweiten Weltkriegs in Österreich vorrückten, hat die Armee von General Patton die Tiere evakuiert. Sonst wären sie vielleicht in den Fleischtöpfen der ausgehungerten Roten Armee gelandet. Das wäre zwar tragisch gewesen, hätte aber nicht das Ende der Hofreitschule bedeutet. Denn uns würden die Vorführungen genauso gut mit anderen Tieren – beispielsweise Hannoveranern – gelingen. Aber die Lipizzaner stehen natürlich für die lange Tradition, die sie seit 1920 auch mit dem Gestüt Piber in der Steiermark verbindet. Und dahin kehren sie mit Mitte 20 wieder zurück.

 

Frage: Wenn sie quasi in Rente gehen?

 

Hans Riegler: Genau. Die besten Tiere werden dann noch auf eine besondere Art belohnt. Sie werden mit den schönsten und intelligentesten Stuten zur Zucht eingesetzt. Was dabei herauskommt, können die Zuschauer dann bald in Aachen erleben.

 

 

Zum Thema
 

Die Spanische Hofreitschule in Wien wurde 1572 gegründet und bereits acht Jahre später begann die Pferdezucht in Lipizza (heute Lipica in Slowenien). Aber erst im 19. Jahrhundert setzte sich der Name Lipizzaner für die ursprünglich aus Spanien stammenden Tiere durch. 1920 fanden sie auf dem Gestüt Piber in der Steiermark eine neue Heimat. Rund 200 000 Zuschauer lassen sich jährlich von den Vorführungen in die Wiener Hofburg locken. Die Spanische Hofreitschule ist nach eigenen Angaben die einzige Institution der Welt, an der die klassische Reitkunst in den vergangenen Jahrhunderten unverändert geblieben ist. Dort arbeiten derzeit drei Oberbereiter, acht Bereiter, drei Bereiter-Anwärter und vier Schüler mit 74 Pferden und treten vor Publikum in einer Uniform mit Zweispitz und Frack aus dem 19. Jahrhundert auf. Hans Riegler, 51, kam vor 36 Jahren an die Spanische Hofreitschule und ist seit 1991 Oberbereiter.

 

Tickets gibt es beim Aachen-Laurensberger Rennverein e.V. bzw. der Aachener Reitturnier GmbH unter www.chioaachen.de und telefonisch unter 0241-917-1111.